Titel
Rubigen. Ort und Landschaft


Herausgeber
Hasler, Martin; Bichsel, Hermann; Haldi, Wilhelm; Wüthrich, Willi; Boschetti, Adriano; Ramseyer, Rudolf J.
Erschienen
Rubigen 2001: Gemeindeverwaltung Kallnach
Anzahl Seiten
440 S.
Preis
ISBN
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Christoph Zürcher

Anlass zur Schaffung dieser Ortsgeschichte war die Auflösung der alten Einwohnergemeinde Rubigen mit den drei ehemaligen Schul- bzw. Viertelsgemeinden Rubigen, Allmendingen und Trimstein im Jahr 1993. Die beiden Letzteren haben ihre Ortsgeschichte schon dargestellt. Nun liegt die Rubiger Geschichte vor. Ein fünfköpfiger Ausschuss hat während zehn Jahren daran gearbeitet und das Ergebnis kann sich sehen lassen. Entstanden ist ein stattlicher Band, sowohl inhaltlich wie physisch gewichtig (daher zur Bettlektüre nicht geeignet, aber sonst wärmstens empfohlen), in einer hervorragenden bildnerischen Ausstattung und einwandfreier Gestaltung.

In diesem Rahmen ist es unmöglich, allen Beiträgen dieser Ortsgeschichte gerecht zu werden. Wenn einige Kapitel besonders betrachtet werden, ist damit keine Wertung verbunden.

Der Geograf Martin Hasler gibt einen gediegenen, knappen und aussagekräftigen Überblick über die naturlandschaftlichen Voraussetzungen und die räumliche und demografische Entwicklung der Gemeinde und stellt dar, wie Rubigen, bis ins 19. Jahrhundert aus Bauernhofgruppen bestehend, erst mit dem Ausbau des Verkehrsnetzes und der Einführung moderner Organisationsstrukturen zentrale Aufgaben erhielt und damit zum «Dorf», schliesslich zur selbständigen Gemeinde in der Agglomeration Bern wurde.

Die geschichtlichen Teile wurden vor allem durch Hermann Bichsel betreut. Wohltuend (und für Ortsgeschichten nicht selbstverständlich) ist das Setzen von Schwerpunkten und der Verzicht auf eine breit angelegte chronologische Zusammenfassung der allgemeinen Geschichte. Dazu gehört sicher die Frühzeit, angesichts der Tatsache, dass das Aaretal zwischen Bern und Thun zu den ältesten und vielschichtigsten Kulturräumen des Kantons gehört. Sehr gehaltvoll auch das Kapitel «Höfe und Herrengüter», das sowohl den Wandel von der mittelalterlichen zur heutigen Landwirtschaft beschreibt als auch ein gelungenes Inventar der landwirtschaftlichen Bauten auf dem Gebiet Rubigens liefert. Besonders hervorzuheben, weil ungewöhnlich und neu für eine Ortsgeschichte, das Kapitel «Vom Eheweib zur Ehefrau», das die rechtliche Stellung der Frau – exemplifiziert an Beispielen aus der Gemeinde – vom Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert verfolgt.

Ein alter Durchgangsraum, wie ihn das Aaretal bildet, verlangt zwingend eine
Darstellung der Verkehrsgeschichte. Die entsprechenden Kapitel (Aare, Strassen und Gasthäuser, Eisenbahn, Post, Telegraf, Telefon) fanden in Wilhelm Haldi einen sachkundigen Betreuer.

Das wohl bekannteste geschichtliche Objekt auf dem Boden Rubigens, die alte Wallfahrtskirche von Kleinhöchstetten, erfährt die ihr gebührende Aufmerksamkeit durch Willi Wüthrich (Entstehung und Bedeutung der Wallfahrtskirche) und Adriano Boschetti (zu den archäologischen Untersuchungen von 1954 und 1955 in der Kirche Kleinhöchstetten).

Die Namenskunde mit den beiden Kapiteln «Orts- und Flurnamen» und «Personennamen» ist natürlich bei Rudolf J. Ramseyer gut aufgehoben. Er steuert auch ein sehr vergnüglich zu lesendes Kapitel «Die Rubiger verteidigen ihre Nutzungsrechte» bei, das interessante Einblicke in die bäuerliche Rechtswelt des 16. und 17. Jahrhunderts gibt: Verteilung von Waldnutzen, Marchstreitigkeiten, Ersatz einer von Mäusen gefressenen Grenzurkunde, sogar eine Güterzusammenlegung von 1631 belegen das wachsende Selbstgefühl des Einzelnen. Dieses lässt den Willen zu eigenem Besitz erstarken, man beginnt Besitz und Nutzungsrechte abzugrenzen und ruft als höchste Instanz den Staat als Schiedsrichter an, kurz: man befindet sich auf dem Weg in die Moderne.

Die landschaftlichen Reize des Aaretals scheinen auch immer Künstler angezogen und beflügelt zu haben: Dev, Mariann Grunder, Kathrine Hofmann, Ernst Kopp, Ekkehard und Herbert Kohlund, Francis Picabia, Robert Schneider und Bernhard Woodtli finden ihre Würdigung wie auch die Kulturmühle Hunziken. Auch im Sog eines Agglomerationszentrums kann also Kultur gedeihen. Rubigen scheint gewillt, sie zu pflegen, wie der vorliegende Band beweist. Der selbstbewussten Gemeinde ist der Start in die neue Rolle und in die neue Identität bestens gelungen. Mit dem vorliegenden Band hat sie sich selbst ein sehr schönes Geschenk zum achten Geburtstag gemacht.

Zitierweise:
Christoph Zürcher: Rezension zu: Hasler, Martin et al.: Rubigen. Ort und Landschaft, Rubigen, Gemeindeverwaltung, 2001, 440 S., ill. Zuerst erschienen in: Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 3, Bern 2002, S. 132f.

Redaktion
Zuerst veröffentlicht in

Berner Zeitschrift für Geschichte, Jg. 64, Nr. 3, Bern 2002, S. 132f.

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